Die Zangengeburt eines möglichen Stammvaters

Seine Geburtshelfer sind mit Schraubenzieher und Zangen ausgestattet, seine geistigen Väter mit Forschungstrieb: Der am Mittwoch im Artificial Intelligence Laboratory der Universität Zürich präsentierte «Roboy» soll diesem als Werbe- und Hoffnungsträger dienen.

Urs Bühler
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Wird Roboy zum Prototypen einer neuen Roboter-Generation? Seine geistigen Väter vom Artificial Intelligence Laboratory in Zürich halten es für möglich. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Wird Roboy zum Prototypen einer neuen Roboter-Generation? Seine geistigen Väter vom Artificial Intelligence Laboratory in Zürich halten es für möglich. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Gehen kann er auf seinen zwei Beinchen noch so wenig wie Neugeborene aus Fleisch und Blut. Doch Roboy ist statt mit Muttermilch schon mit allem erdenklichen Wissen dieser Welt gefüttert worden – und soll nach dem Bekunden seiner Schöpfer bald schon an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Zwinkert er mit seinem babyblauen Augenpaar, das Micro-Beamer im Schädel von hinten her projizieren, glaubt das menschliche Gegenüber an eine Begegnung mit einem Ausserirdischem. Warm wie beim Anblick mancher Humanoiden, die seit Jahrzehnten Science-Fiction-Filme bevölkern, wird einem dabei indes kaum ums Herz. Das mag auch daran liegen, dass das Innere des Körpers frei liegt, eine aufgeräumte Mischung aus menschenähnlichem Skelett, aus Kabeln, Federn und Schrauben: Roboy ist eine Zangengeburt, im buchstäblichen Sinne des Wortes.

Da hockt er also am Mittwoch bei der Medienpräsentation in einem Raum des Artificial Intelligence Laboratory (AI Lab) in Oerlikon, umringt von anderen mehr oder weniger vollendeten Robotern. In einer Ecke etwa sitzt leblos eine offensichtlich havarierte Assistentin im Deux-Pièces. Saya heisst sie laut Namenstäfelchen auf der Brust, und ihr Genick macht einen gebrochenen Eindruck.

Noch lange nicht erwachsen

Roboy aber ist wohlauf und wird stolz präsentiert von seinen Vätern, die nicht aus einem Fortpflanzungs-, sondern aus einem Forschungstrieb heraus gehandelt haben. Über 40 Personen aus 15 Betrieben waren involviert, wie die zwei Initianten ausführen: AI-Lab-Leiter Rolf Pfeifer und Pascal Kaufmann, CEO der Starmind International AG, mit deren Technologie der Knirps zum kleinen Genie werden soll. Seine geistigen Fähigkeiten kann er, Roboy, an diesem Tag noch nicht beweisen; und auch an den bewegungstechnischen und mimischen Qualitäten wird in den wenigen Tagen bis zum ersten Auftritt vor grösserem Publikum noch fieberhaft gefeilt.

 (Bild: Adrian Baer / NZZ)

(Bild: Adrian Baer / NZZ)

Das AI Lab der Universität Zürich, das schon künstliche Tintenfische oder Roboterhunde entwickelte, hat laut eigenen Angaben in rekordverdächtig kurzer Zeit «einen der höchstentwickelten Roboter der Welt» erschaffen. Neun Monate – wenn das kein Zeichen ist! – soll man an ihm getüftelt haben, ehe er diese Woche seine ersten Zuckungen im Licht der Welt vollbrachte. Das wissenschaftliche Hauptziel bestand laut Pfeifer darin, den menschlichen Bewegungsapparat und dessen Steuerung durch Sehnen nachzuempfinden. Aus unternehmerischer Sicht ging es auch darum, eine Werbefigur zum 25-Jahr-Jubiläum des Lab zu schaffen. Als solche wird Roboy in den nächsten Monaten an diversen Anlässen im ganzen Land gastieren.

Bei der Finanzierung ging es den Erschaffern wie manchen Eltern: Da kein Budgetposten für das Projekt eingestellt war, musste man sich etwas einfallen lassen. Sie bastelten keine Geldmaschine, sondern lancierten ein Crowdfunding, suchten also über das Internet Kapitalgeber. Der Erfolg war nicht durchschlagend, wie sie einräumen, man sammle noch immer. Das Budget liegt laut Pfeifer im mittleren sechsstelligen Bereich, wobei Firmen bis anhin vor allem in Form von Materialien und Know-how sponserten.

Ein Treffen mit Artgenossen

Roboy soll je nach Geldfluss mehr oder weniger schnell erwachsen werden, strebt aber keine Serienreife an. Vielmehr steht er nach dem Open-Source-Prinzip zur Verfügung, so dass andere Forschungslabors auf seiner Basis weiterentwickelte Artgenossen beisteuern können. Gemäss Pfeifers Hoffnung könnten es in den nächsten zwei Jahren bis zu dreissig Exemplare sein. Wird Roboy so zum Stammvater einer neuen Generation von Robotern? Pfeifer sieht ihn jedenfalls als Vorbild für einen Typus, der mit uns den Lebensraum teilt, uns in den Bewegungen und im Aussehen verwandt und bei Arbeiten aller Art behilflich ist. Fest stehe, dass Roboter ihr Wirkungsfeld mehr und mehr von Fabrikhallen ins Privatleben verlegten.

 (Bild: Adrian Baer / NZZ)

(Bild: Adrian Baer / NZZ)

Der alte Traum der Menschheit, sich Gefährten und Helfer selbst zu schaffen, tritt also vielleicht in eine neue Phase. Das könnte am 9. März auch die Show «Robots on Tour» in Zürich-West zeigen (www.roboy.org): Im Puls 5 feiert Roboy dabei seine offizielle Premiere und trifft auf ausgeklügelte Artgenossen aus aller Welt – vom Karlsruher Küchenroboter Armar über den koreanischen Silbot, der etwa als Animator in Altersheimen konzipiert ist, bis hin zu Affetto. Dieses japanische Baby lächelt und glänzt auch sonst durch ausgefeilte Mimik.

Auch Roboy bringt übrigens schon jetzt etwas fertig, was den Menschen frei nach Mani Matter vom Affen unterscheidet: Er vermag zu erröten. Das sieht dann etwa so aus, wie wenn Heidis Wangen im japanischen Trickfilm vor Eifer glühen. Aber immerhin: Er kann Gefühle zeigen, die er gar nicht hat. Auch das hat er vom Menschen gelernt.